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Duke Seidmann

Minuten-Manager - Führungsstile

Aus der Reihe: Management- und Führungsklassiker nochmals gelesen:


Im Führungscoaching und -training werde ich oft gefragt, welche Literatur ich denn für nachhaltige Resultate auf Management- bzw. Executive-Stufe empfehle. Die Auswahl an entsprechenden Werken ist enorm. (Die Unterschiedlichkeit an Gehalt auch….). In unregelmässiger Reihenfolge stelle ich auf meinem Blog einige Klassiker vor, die mich in 35 Jahren Führungs- und Consulting-Erfahrung beeindruckt und inspiriert haben. Ob zum Thema Leadership, Kommunikationsfähigkeit in Krisen, Gesprächsführung, Verhandeln oder ganz allgemein bei der Verbesserung der eigenen Kommunikation - diese Werke lohnen jedenfalls eine vertiefte Lektüre - welche Erkenntnisse Sie auch immer daraus ziehen.


Der Minuten-Manager - Führungsstile von Ken Blanchard

A. Die wichtigsten Erkenntnisse


Die umgedrehte Pyramide

Betriebe sind typischerweise als Pyramide organisiert, bei der die Spitze von der Generaldirektion bekleidet wird und die Grundfläche von Arbeitnehmern. Die Ebenen dazwischen sind von Managern besetzt. Wird dieses Prinzip auch bei der Arbeitsverteilung berücksichtigt, kann schnell der Eindruck entstehen, dass Führungskräfte alle Arbeit erledigen und ihre Untergebenen ausschließlich ihren Weisungen folgen.

Stattdessen plädiert der Minuten-Manager für eine andere Herangehensweise – die umgedrehte Pyramide: Die Führungskräfte arbeiten nunmehr für ihre Arbeitnehmer. Der Verantwortungsschwerpunkt liegt jetzt bei den Arbeitnehmern und die Aufgabe der Manager ist es lediglich, ihnen das Handwerkszeug zu geben, das sie für ihre Tätigkeit benötigen.


Die einen so, die andern so

Der Minuten-Manager bevorzugt es, keinen starren Führungsstil zu verfolgen. Stattdessen bedient er sich einer Kombination verschiedener Führungsstile, die er an den jeweiligen Arbeitnehmer und sein Aufgabenfeld anpasst. Dies bezeichnet er in dem Management-Buch als situationsbezogenes Führungsverhalten:


Stil 1: Lenken

Leiter geben präzise Anweisungen und beaufsichtigen genau die Durchführung der Aufgaben.


Stil 2: Anleiten

Anleiter lenken und überwachen auch, besprechen aber ihre Entscheidungen mit den Mitarbeitern und beziehen ihre Vorschläge mit ein.


Stil 3: Unterstützen

Unterstützer fördern die Mitarbeiter und teilen die Verantwortung für die Entscheidungen, die sie fällen.


Stil 4: Delegieren

Delegierer geben die Verantwortung für die zu fällenden Entscheidungen und die zu lösenden Probleme an ihre Mitarbeiter ab.


Flexibilität, Diagnose und Absprache

Um eine situationsbezogene Führungskraft zu werden, empfiehlt das Buch für Manager einen Dreiklang: Der Führungsverantwortliche muss lernen

  • verschiedene Führungsstile flexibel zu handhaben

  • Die Bedürfnisse der jeweiligen Mitarbeiter zu diagnostizieren

  • Mit ihren Mitarbeitern eine verbindliche Vereinbarung darüber zu treffen, welcher Führungsstil für sie am besten ist

Ungleiche Wesen gleich zu behandeln ist nicht Gerechtigkeit, sondern Gleichmacherei

Der Minuten-Manager sieht die Vor- und die Nachteile eines jeden Führungsstils. Den optimalen Führungsstil gibt es nicht – deshalb macht es auch wenig Sinn, sich auf einen Stil festzulegen und ihn strikt beizubehalten. Ein “ganzer Manager” ist stattdessen flexibel und bedient sich mehrerer Stile: “Als situationsbezogener Leiter behandeln Sie also nicht nur unterschiedliche Leute auf unterschiedliche Art [...]. Sondern Sie behandeln ein und dieselbe Person nicht immer auf dieselbe Manier, sondern je nach Aufgabenbereich mal so und mal so.”


Der angemessene Führungsstil bestimmt sich nach dem Entwicklungsstand des Mitarbeiters in Bezug auf eine bestimmte Aufgabe oder ein spezifisches Ziel

Der gleiche Mitarbeiter kann Aufgabe A eigenständig hervorragend meistern, während er für Aufgabe B Unterstützung benötigt. Dies berücksichtigt eine situationsbezogene Führungskraft.


Langsamer vorgehen heißt oft schneller vorankommen

Wer innehält, um nachzudenken, kann von Anfang an die richtige Entscheidung treffen und schneller und effektiver zum gewünschten Ergebnis gelangen.


Potenziell sind alle Menschen Spitzenkönner - man muss nur herausfinden, wo sie gerade stehen, und ihnen von dort aus weiterhelfen

Die Anwendung des dirigierenden Führungsstils spricht nicht für einen untalentierten Mitarbeiter. Auch er ist ein potentieller Könner, dem es lediglich an Erfahrung fehlt. Er benötigt die Direktion des Vorgesetzten, um sein volles Potenzial zu entfalten.


Die drei Geheimnisse des 1-Minuten Managements: Zielsetzung – Lob – Kritik

Ziele: Lenken den Mitarbeiter von Anfang an in die richtige Richtung und lassen den Vorgesetzten erkennen, auf welcher Entwicklungsstufe sich der Mitarbeiter befindet.

Lob: Hilft den Mitarbeitern dabei, ihren Entwicklungsstand zu verbessern.

Kritik: Dient dazu, schlechten Leistungen der Mitarbeiter entgegenzuwirken.


Wenn der Chef sich oft blicken lässt, kann die Leistung sich bald sehen lassen

Wer neue Mitarbeiter einstellt, ihnen sagt, was zu tun ist und sie ansonsten sich selbst überlässt, delegiert nicht Verantwortung. Er lässt sie einfach im Stich. Stattdessen verfolgt der Minuten-Manager die Strategie, seinen Führungsstil im Laufe der Zeit mit der Leistungsverbesserung des Mitarbeiters anzupassen.


Kritik erst in fortgeschrittenen Ausbildungsphasen

Kritik ist kein Schulungsmittel, sondern ein Mittel, um mit Motivations- und Einstellungsproblemen fertig zu werden. Werden Mitarbeiter in einer zu frühen Phase kritisiert, verlieren sie leicht ihre Motivation und geben sich keine Mühe mehr.


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B. Besprechung des Buches


Das Buch “Der Minuten-Manager: Führungsstile” von Kenneth Blanchard, Patricia und Drea Zigarmi bringt dem Leser unterschiedliche Management-Stile und ihre Anwendungsvoraussetzungen nahe und stellt sie in Form einer Geschichte vor. Geschrieben ist das Buch in einer leicht verständlichen Sprache, die es auch Laien ermöglicht, die Aussagen und Argumente des “Minuten-Managers” nachzuvollziehen.

Eingebettet sind die Inhalte des Buchs für Führungskräfte in die Geschichte einer jungen Unternehmerin, die sich hilfesuchend an den Minuten-Manager wendet. Sie hat das Gefühl, dass die Arbeiten im Unternehmen weit überwiegend an ihr hängenbleiben, weil ihre Mitarbeiter sie nicht oder nicht zufriedenstellend erledigen. Damit steht die Unternehmerin sinnbildlich für ein Problem, das viele Menschen in Führungspositionen verspüren: Sie haben Mitarbeiter, die ihnen Arbeit abnehmen sollen, die aber zu unerfahren oder unmotiviert sind, um dies effektiv zu tun.

Hier kommt der Minuten-Manager mit seinen verschiedenen Führungsstilen ins Spiel: Indem der Vorgesetzte sie richtig einsetzt, steigert er die Kompetenz und die Leistungen seiner Mitarbeiter, die ihn wiederum entlasten. Wie genau dies funktioniert, schildert Blanchard auf den folgenden 100 Seiten. Dabei stellt die wissbegierige Unternehmerin die Fragen, die auch dem Leser mit dem Verlauf der Geschichte kommen. Das hat gleich zwei positive Effekte: Zum einen hat der Leser stets das Gefühl, sich die “richtigen” Fragen zu stellen, also ganz im Thema zu sein und in die richtige Richtung mitzudenken. Zum anderen bleibt er so konzentriert und motiviert, dem Verlauf des Buches zu folgen. Auf diese Weise bringt der Autor dem Leser auf spielende Weise neue Einsichten und Konzepte bei, deren Verständnis ihm leichtfällt.


Die umgedrehte Pyramide

Seine Lehren beginnt der Minuten-Manager, indem er sich erkundigt, ob die Unternehmerin ihren Betrieb in einer Pyramidenform organisiert habe. Dies sei keineswegs falsch – hielte sie an dieser Form aber auch als Managerin fest, entstehe der Eindruck, sie sei für alle verantwortlich und erledige letztlich die Arbeit für alle Mitarbeiter. Stattdessen plädiert der Minutenmanager dafür, die Pyramide auf den Kopf zu stellen: So werde offensichtlich, dass die Managerin dafür sorgt, dass alle Mitarbeiter ihre Aufgaben optimal erfüllen können.

Mit dieser Einleitung setzt Blanchard bereits den Ton für das gesamte Buch: Er überrascht den Leser, indem er eine scheinbar simple und allgemein anerkannte Weisheit nimmt und sie von einer anderen Sichtweise aus betrachtet. Durch eine kleine, aber entscheidende Änderung entsteht ein völlig neuer Ansatz. Dank der bildhaften Erklärungen des Minuten-Managers versteht der Leser sie auf Anhieb und kann ihm leicht folgen.


Phase 1: Die einen so, die andern so!

Unter dem Motto “Die einen so, die andern so!” leitet der Autor den zentralen Gedanken des Buchs ein: Eine Führungskraft muss – und sollte – nicht jeden ihrer Mitarbeiter gleich behandeln. Der Einsatz unterschiedlicher Führungsstile entlastet nicht nur den Manager, sondern wird auch den Mitarbeitern besser gerecht. Um den Leser leichter an diesen - für viele durchaus neuen – Ansatz heranzuführen, bringt der Autor neue Personen ins Spiel: Die Unternehmerin spricht mit den Mitarbeitern des Minuten-Managers, die ihr aus ihrer eigenen Sicht erzählen, wie ihr Chef sie behandelt. Obwohl die Unternehmerin die gleichen Fragen stellt, erhält sie unterschiedliche Antworten – und in einem Fall sogar von derselben Person.

Blanchard eröffnet auf diese Weise dem Leser die erste Phase dessen, was er unter einer situationsbezogenen Führung versteht: Der Manager behandelt seine Mitarbeiter bewusst unterschiedlich, wechselt also von einer Person zur nächsten den Führungsstil.

Auch wird der Unternehmerin klar, dass sich der Minuten-Manager Führungsstile nutzt als den autokratischen und den demokratischen. Damit spricht der Verfasser den Leser mit Vorwissen an und deutet ihm auf sanfte Weise an, dass sich die möglichen Führungsstile keineswegs auf die zwei bekanntesten Optionen beschränken. Dies gelingt ihm auf eine geschickte Art und Weise: In der Person der Unternehmerin erkundet der Leser spielend selbst und zieht seine eigenen Schlüsse. Er wird nicht mit einem bloßen “das, was Du zu wissen glaubst, ist falsch” konfrontiert. Stattdessen schafft der Autor den Raum, in dem der Leser selbstständig denkt und begreift. So macht er ihn für die folgenden Informationen zugänglicher, die er sich – zumindest ein Stück weit – ja selbst erarbeitet hat.


Teil 1: Flexibilität und die vier Führungsstile

Auf die Frage nach der Umsetzung des situationsbezogenen Führungsstils nennt der Minuten-Manager der Unternehmerin drei Punkte: Flexibilität, Diagnose und Absprache. Ohne nennenswerte weitere Erklärungen lässt der Autor diesen Ratschlag in der Luft hängen und stürzt sich unter dem Punkt Flexibilität auf das nächste Schema – die vier fundamentalen Führungsstile:


“Stil 1: Lenken

Der Leiter gibt präzise Anweisungen und beaufsichtigt gewissenhaft die Durchführung der Aufgabe.


Stil 2: Anleiten

Der Leiter lenkt und überwacht auch weiterhin gewissenhaft die Durchführung der Aufgabe, bespricht aber seine Entscheidungen mit den Mitarbeitern, bittet sie um Vorschläge und unterstützt ihre Fortschritte.


Stil 3: Unterstützen

Der Leiter fördert und unterstützt die Mitarbeiter bei der Durchführung der Aufgabe und teilt die Verantwortung für die zu fällenden Entscheidungen mit ihnen.


Stil 4: Delegieren

Der Leiter überträgt den Mitarbeitern die Verantwortung für die zu fällenden Entscheidungen und die zu lösenden Probleme.”


Danach bricht der Minuten-Manager die Grundlagen der einzelnen Stile herunter und setzt sie in einen Zusammenhang mit denen, die der vorgebildete Leser bereits aus anderen Büchern für Führungskräfte kennt: Jeder Stil basiere auf einer Kombination von dirigierendem oder sekundierendem Verhalten. Diese wiederum – das erkennt die Unternehmerin - können mit der autokratischen bzw. der demokratischen Führung vergleichen werden. Der Autor holt den Leser bei dem Bekannten ab, um ihm seine neuen Ansätze vorzuführen. Dies tut er aber erst im zweiten Schritt, nachdem er dem Leser – ohne langwierige abstrakte Vorerklärungen - einige Beispiele gegeben hat. Blanchard nutzt also in zweierlei Hinsicht das, was der Leser bereits weiß. So entsteht bei ihm das Gefühl, er erarbeite sich die Ergebnisse förmlich selbst – ganz nach dem Motto: “Wie könnte es auch anders sein?”.

Als dirigierenden Führungsstil beschreibt der Minuten-Manager ein Verhalten, das strukturierend, kontrollierend und supervidierend ist. Sekundierend handele hingegen, wer anerkennt, zuhört und fördert. Stil 1 wird dabei am meisten vom dirigierenden Stil bestimmt und hat nur wenig sekundierende Elemente. Andersherum ist es bei Führungsstil 4, der hauptsächlich sekundierend ist und kaum noch dirigierend.


“Ungleiche Wesen gleich zu behandeln ist nicht Gerechtigkeit, sondern Gleichmacherei.”

Die Unternehmerin fragt den Minuten-Manager nach der Konsequenz seines Verhaltens, wenn er einen Mitarbeiter anders behandelt als den nächsten. An dieser Stelle führt der Autor einen neuen zentralen Gedanken ein: “Ungleiche Wesen gleich zu behandeln ist nicht Gerechtigkeit, sondern Gleichmacherei.”

Erneut bedient sich Blanchard seiner einfachen, aber effektiven Technik: Er sieht einen kritischen Gedanken beim Leser aufkommen und inkludiert ihn unmittelbar. Anstatt ihn beiseite zu wischen, stimmt er der Grundidee zu - plädiert aber für eine Betrachtung aus einer anderen Perspektive, die den Leser zu einem völlig anderen Ergebnis leitet. In der Form des Minuten-Managers bestätigt er, dass Konsequenz ein wichtiger Aspekt ist. Konsequent sei es aber gerade nicht, dass die Führungskraft sich immer gleich verhalte. Stattdessen sei es konsequent, unterschiedliche Situationen zu erkennen und sein Verhalten entsprechend anzupassen.

Damit erkennt Blanchard einen Aspekt, der die Tätigkeit vieler Unternehmer erschwert: Sie fokussieren sich auf ihr Verhalten und ihr Handeln, anstatt ihre Aufmerksamkeit auf ihre Arbeitnehmer zu richten. Dies würde ihnen nicht nur effektivere Methoden der Problemlösung offenbaren, sondern auch zu einem wertvollen Umschwung ihrer inneren Einstellung führen: Manager stehen nicht isoliert an der Spitze eines Unternehmens. Sie können und sollen ihre Mitarbeiter einbeziehen und dadurch die (mentale) Last reduzieren, die auf ihnen liegt.


Die Frage nach dem optimalen Führungsstil

Die Unternehmerin fragt den Minuten-Manager, ob es unter den vier Stilen den optimalen Führungsstil gibt. Dabei wirft sie den partizipativen Managementstil ein. Der aufmerksame Leser weiß an dieser Stelle bereits, wie die Antwort ausfallen wird. Der Autor streut die Frage trotzdem an dieser Stelle ein, um erneut auf die Vorkenntnisse des Lesers Bezug zu nehmen und letzte Restzweifel an Blanchards Theorie zu beseitigen, die daraus resultieren könnten. Mit einem einfachen Beispiel zeigt der Minuten-Manager, dass der partizipative Führungsstil zwar in manchen Situationen angemessen sein kann, in anderen aber völlig deplatziert. Den optimalen Führungsstil gebe es also nicht. Er müsse situationsbezogen angepasst und regelmäßig neu eruiert werden.


Phase 2: Wechselnde Führungsstile mit der wachsenden Kompetenz eines Mitarbeiters

Die Unternehmerin und der Minuten-Manager sprechen über die schwindende Anfangsbegeisterung eines neuen Mitarbeiters, nachdem er einige Zeit im Unternehmen verbracht hat. Wieder bedient sich der Autor eines Szenarios, dass viele Unternehmer nur allzu gut kennen – und nutzt es, um die nächste Erkenntnis-Phase einzuleiten: Führungsstile wechseln nicht nur von einem Mitarbeiter zum nächsten. Sie wechseln auch in Bezug auf denselben Mitarbeiter mit den Entwicklungen, die er durchmacht. Fortgeschrittene Fähigkeiten führen also genauso wie sinkende Motivation dazu, dass der Vorgesetzte seinen Führungsstil ändert, um sich an die Bedürfnisse seines Arbeitnehmers anzupassen.

Dies mag auf den ersten Blick wie ein Mehraufwand erscheinen: Die Führungskraft kann nicht einmal zu Beginn erörtern, welcher Führungsstil für einen bestimmten Mitarbeiter geeignet ist und ihn dann stupide beibehalten. Stattdessen muss sie immer wieder nachjustieren und genau hinschauen, ob und wie sich die Situation entwickelt.

Dies stellt aber gerade eine Entlastung dar: Ein neuer, unerfahrener Mitarbeiter wird zum Beispiel in der Regel nach Führungsstil 1 behandelt. Damit erhält er die bestmögliche Hilfestellung und kann am schnellsten lernen. Gleichzeitig bereitet dieser Führungsstil dem Vorgesetzten auch die meiste Arbeit. Je weiter der Angestellte auf der Leiter der Führungsstile emporklettert, desto mehr kann der Vorgesetzte ihn sich selbst überlassen. Dies schafft eine Entlastung und reduziert die zeitlichen und energetischen Kapazitäten, die er in den Mitarbeiter investieren muss. Jede erfolgreiche Revalierung führt den Unternehmer also letztlich einen Schritt näher an sein Ziel: Seine Arbeitnehmer sollen möglichst selbstständig arbeiten, um ihn bestmöglich zu entlasten.


Teil 2: Diagnose

An dieser Stelle springt der Autor in dem Buch für Manager zurück zu seinem übergeordneten Schema einer situationsbezogenen Führungskraft: Flexibilität, Diagnose und Absprache. Er beginnt, den zweiten Punkt zu behandeln. So sei es wichtig, auch mal eine Minute innezuhalten und die Situation wirklich zu begreifen, bevor gehandelt wird. Dies müsse erfolgen, um den richtigen Führungsstil zu finden, fiele aber gleichzeitig vielen Managern schwer. Der Autor bringt seine Ansicht auf den Punkt mit den Worten: “Langsamer vorgehen heißt oft schneller vorankommen”.

Die Diagnose erfolge anhand der bisherigen Leistungen des jeweiligen Mitarbeiters, seiner Kompetenz und seines Engagements. Kompetenz sei dabei die Summe der Kenntnisse und Fähigkeiten, Engagement die Kombination aus Selbstvertrauen und Motivation. Aus diesen Punkten ergebe sich der Entwicklungsstand eines Arbeitnehmers, den der Autor wieder in vier Punkten darstellt: Von E1 (wenig Kompetenz und hohes Engagement) reicht die Skala bis zu E4 (hohe Kompetenz und hohes Engagement). Dabei fällt auf, dass die Kompetenz linear wächst. Das Engagement schwankt hingegen und fällt zunächst, sobald der Mitarbeiter die Phase E1 verlässt. Es steigt im späteren Verlauf aber wieder an und erreicht in E4 einen neuen Höhepunkt.

Im nächsten Schritt zeigt der Autor dem Leser eine Tabelle, in der er die Entwicklungsstufe in einen Zusammenhang mit den vier Führungsstilen setzt. So wird bei der Entwicklungsstufe E1 der dirigierende Stil S1 angewendet und bei der Entwicklungsstufe E4 der delegierende Führungsstil S4.

Zum Ende des Diagnose-Teils stellt die Unternehmerin eine Frage, die eigentlich schon an früherer Stelle beantwortet wurde: “Wenn ich mich entschieden habe, welcher Führungsstil für eine bestimmte Person angebracht ist, bleibe ich dann ein für allemal bei diesem Stil für diesen speziellen Mitarbeiter?” Der mitdenkende Leser stößt hier auf eine Wiederholung dessen, was er bereits begriffen hat. Umso verwirrender scheint es, dass der Autor diese Frage als Überleitung verwendet. Nicht zu der direkten Beantwortung der Frage (die – so könnte es der Leser gewiss antizipieren – ein einfaches “nein” gewesen wäre), sondern zu einem neuen Ansatz:

Es werden die “drei Geheimnisse des Minuten-Managements" eingeführt, die 1-Minuten-Zielsetzung, das 1-Minuten-Lob und die 1-Minuten-Kritik. Diese werden allerdings nicht direkt erläutert. Stattdessen springt der Autor mit der Aussage “Denn klare Ziele sind ja für die Mitarbeiter auf jeder Entwicklungsstufe wichtig” zurück zu dem Gedanken, dass – tatsächlich - keineswegs jeder Mitarbeiter in jedem Aufgabenbereich auf der gleichen Stufe steht und in Bezug auf verschiedene Ziele unterschiedlich weit sein kann. Dies macht der Minuten-Manager nun anhand der unterschiedlichen Ziele fest, die ein Mitarbeiter verfolgt. Die Unternehmerin erkennt an dieser Stelle: “Als situationsbezogener Leiter behandeln Sie also nicht nur unterschiedliche Leute auf unterschiedliche Art – die einen so, die andern so. Sondern Sie behandeln ein und dieselbe Person nicht immer auf dieselbe Manier, sondern je nach Aufgabenbereich mal so und mal so.”

Das 1-Minuten-Lob

Nach einem weiteren Sprung erklärt der Minuten-Manager plötzlich, was geschehen muss, damit die Mitarbeiter von einem Entwicklungsstand auf den nächsten gelangen. Der Chef müsse sich gerade in der Anfangsphase oft blicken lassen, um den Mitarbeiter ordentlich einzuweisen. In der Realität ließen viele Führungskräfte ihre Mitarbeiter aber schlicht und ergreifend im Stich. Der Leser sucht an dieser Stelle vergeblich die fehlenden Teile des gerade noch eröffneten Dreiklangs der “drei Geheimnisse des Minuten-Managements". Gerade, als der Leser sich an den Sprung gewöhnt hat, kehrt der Autor zurück zu seinem Ausgangspunkt: So sei eben auch Lob wichtig, um auf den Stufen emporzuklettern. Es folgt eine Tabelle, die das Gesagte unterstreichen solle. Erwartet der Leser hier aber nun endlich, das Prinzip des 1-Minuten-Lobes wiederzufinden, wird er enttäuscht: Es handelt sich um eine weitere Skizze zu den Führungsstilen im Verhältnis zu den Entwicklungsstufen der Mitarbeiter und ähnelt denen, die bereits an mehreren vorangehenden Stellen im Buch eingestreut wurden.


Die 1-Minuten-Kritik

Sodann widmet sich der Minuten-Manager der 1-Minuten-Kritik und erklärt, dass diese nur den höheren Entwicklungsstufen E3 und E4 vorbehalten sei, gelegentlich aber auch auf E2 zum Einsatz kommen dürfe: “Kritik ist kein Schulungsinstrument, sondern ein Mittel, um mit Motivations- und Einstellungsproblemen fertig zu werden.” Es folgt eine ausdrückliche Erklärung: Sie diene dazu, leistungsstarke Mitarbeiter wieder anzuspornen, wenn ihr Arbeitseifer nachgelassen hat.


Teil 3: Absprache

Der Minuten-Manager erklärt, dass ein Mitarbeiter wissen muss, welchen Führungsstil ein Vorgesetzter bei ihm anwendet und warum. So versteht er das Verhalten des Vorgesetzten ihm gegenüber nicht falsch und kann sich darauf einstellen: “Situationsbezogene Führung ist nicht etwas, was die Mitarbeiter passiv hinnehmen, sondern etwas, was sie aktiv mitgestalten.”

Die Reaktion der Unternehmerin auf diesen Merksatz führt den Leser zurück zum Anfang des Buches: Sie erkennt, dass sie keineswegs alles alleine machen muss, sondern ihre Mitarbeiter durchaus mit einbeziehen kann und soll.

Es folgen weitere Erklärungen zur Absprache und zur Zielsetzung, die ein Element der Absprache sei. Die Lehren des Minuten-Managers schließen mit der Erkenntnis, dass ein Mitarbeiter, der im S1-Stil geführt wird, nicht untauglich ist. Er hat lediglich noch nicht sein Potenzial entfaltet, wobei ihn der Vorgesetzte mit dem richtigen Führungsstil unterstützen kann.


Fazit

Das Buch “Der Minuten-Manager: Führungsstile” bringt dem Leser auf leicht bekömmliche, fast schon verspielte Weise Blanchards vier Führungsstile bei und zeigt ihm, wie sie sich in das Gesamtkonzept des Managements-Alltags einfügen. Diverse Skizzen fassen das Gesagte zusammen und veranschaulichen es noch einmal. Dank der Einbettung in die Geschichte der Unternehmerin kann der Leser leicht folgen. Allerdings springt der Autor an diversen Stellen und bringt neue Themen ein, ohne sie direkt auszuführen. Dadurch entstehen Verwirrungen, die zum Teil an späterer Stelle wieder behoben werden. Die Kehrseite des leicht bekömmlichen Erzählstils ist eine gewisse Langatmigkeit: Der aufmerksame und vorgebildete Leser wird sich die Inhalte schneller selbst erschlossen haben, weshalb ihn gerade die Wiederholungen im letzten Teil viel Zeit kosten dürften.

Trotz der kleineren Defizite ist “Der Minuten-Manager: Führungsstile” eine hilfreiche und nach wie vor beeindruckend zeitgemäße Lektüre für (angehende) Manager.

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C. Biographie des Verfassers

Der US-amerikanische Autor und Unternehmer Kenneth (Ken) H. Blanchard ist der Verfasser zahlreicher Managementbücher. Nach seinem Bachelor-Studium in Philosophie und seinem Master-Studium in Soziologie erhielt er den Doktor der Wissenschaften von der Cornell University und arbeitete als Professor und als Gastdozent an verschiedenen Universitäten. Kenneth H. Blanchard ist Besitzer eines Familienbetriebs in San Diego, Kalifornien, der Ken Blanchard Gesellschaft.

Bekannt wurde der Unternehmer, als er gemeinsam mit Paul Hersey den situativen Führungsstil entwickelte. Das Konzept behandelte er in seinen Büchern über den “Minuten-Manager”, die er gemeinsam mit Spencer Johnson und anderen Autoren verfasste. Die Serie wurde in mehr als 20 Sprachen übersetzt und über sieben Millionen Mal verkauft.


(Zusammenfassung: Horst Wertig)



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